1. Zielgruppe
Die Maßnahme richtet sich an Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 8 der Gemeinschafts- und Förderschule, die ihren Hauptschulabschluss nicht mehr in der regulär verbleibenden Zeit erreichen können. Diese Jugendlichen könnten aber aufgrund ihrer allgemeinen Befähigung und ihrer allgemeinen Verhaltensdispositionen diesen Abschluss erwerben. Ebenfalls wird leistungsstarken Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf hier die Möglichkeit geboten, den Hauptschulabschluss zu erreichen. Neben dem Hauptschulabschluss sollen die Jugendlichen auf das Berufsleben vorbereitet werden, damit sie in den ersten Ausbildungsmarkt integriert werden können. Flexible Übergangsphase bedeutet hierbei, dass es für die Schülerinnen und Schüler möglich ist, nach zwei oder drei Schuljahren die Hauptschulabschlussprüfung abzulegen. Der Zeitpunkt der Hauptschulabschlussprüfung richtet sich nach dem jeweiligen Leistungsstand der Lernenden.
2. Chronik und aktueller Stand
Mit Beginn des Schuljahres 2007/2008 wurde an der ehemaligen Hauptschule Koppeldamm eine Flexible Übergangsphase mit Hauptschülerinnen und Hauptschülern sowie Schülern mit sonderpädagogischen Förderbedarf eingerichtet.
Im Schuljahr 2008/2009 wurde eine zweite, sehr kleine Lerngruppe integriert. Soweit es der Wissensstand der Schülerinnen und Schüler erlaubte, wurden diese zusammen mit der bestehenden Flexmaßnahme unterrichtet. Andernfalls wurden Defizite durch äußere Differenzierung aufgearbeitet.
Eine unzureichende Zahl an Bewerberinnen und Bewerbern verhinderte zunächst den weiteren Ausbau der Flexmaßnahme im Schuljahr 2009/10.
Im darauf folgenden Schuljahr 2009/10 erreichten 13 Schülerinnen und Schüler erfolgreich den angestrebten Hauptschulabschluss. Darunter befanden sich auch drei Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf. Mehr als die Hälfte der Absolventinnen und Absolventen besuchte anschließend eine weiterführende Schule oder begann eine duale Ausbildung, während die verbleibenden überwiegend in berufsvorbereitende Maßnahmen wechselten.
Im Schuljahr 2010/11 konnten 12 neue interessierte Schülerinnen und Schüler in die Flexmaßnahme aufgenommen werden, so dass wieder eine jahrgangsübergreifende Flexmaßnahme gebildet werden konnte. Innerhalb dieses Schuljahres erlangte der ältere Jahrgang von einer Schülerin und drei Schülern ihren Hauptschulabschluss, darunter auch ein Förderschüler. Auch im folgenden Schuljahr 2011/12 wurden geeignete Bewerberinnen und Bewerber aufgenommen.
Im Schuljahr 2012/13 setzte sich die aus 19 Schülerinnen und Schüler bestehende Flexmaßnahme aus drei unterschiedlichen Jahrgängen zusammen. Insgesamt werden dabei sieben Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf beschult.
Im aktuellen Schuljahr 2013/14 setzt sich die Maßnahme erneut aus 3 unterschiedlichen Jahrgängen mit 20 Schülerinnen und Schülern zusammen, davon 9 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf.
Seit 2007 erreichten fast alle Schülerinnen und Schüler ihren Hauptschulabschluss. Vier Schülerinnen und Schüler wechselten innerhalb dieses Zeitraums in eine vergleichbare Maßnahme, acht wechselten mangels Eignung wieder in eine Regelklasse zurück und eine Schülerin beendete die Flexmaßnahme aufgrund einer Schwangerschaft.
Mehr als die Hälfte der bisherigen erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen konnte nach der Schule eine duale Ausbildung beginnen oder eine weiterführende Schule besuchen. Besonders bemerkenswert ist zu erachten, dass bisher alle Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf ihren Hauptschulabschluss erreichen konnten.
3. Konzeptionelle Umsetzung
Zur Zielerreichung ergibt sich folgendes Vorgehen:
- Erkennen von Lerndefiziten und Dokumentation im Lern- und Förderplan
- Individuelle Förderung zum Ausgleich dieser Lerndefizite
- Methodentraining
- Coaching
- Soziales Lernen, z.B. durch jährliche erlebnispädagogische Klassenfahrten
- Praktika in verschiedenen Berufsfeldern
- Berufs- und Lebensplanung
- Potentialanalyse (Stärken im Sozial- und Arbeitsverhalten ermitteln)
Die Umsetzung der beschriebenen Arbeitsweisen erfolgt im interdisziplinären Team, bestehend aus der Klassenlehrkraft, den Fachlehrkräften, einer Förderschullehrerin und einem Coach. Eine intensive Eltern-Schüler-Arbeit wird von Seiten der Schule angestrebt. Die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten werden durch Gespräche und regelmäßige stattfindende Elternsprechtage einbezogen. Transparenz hat in der Arbeit mit den Jugendlichen einen hohen Stellenwert.
3.1 Erkennen von Lerndefiziten und Dokumentation im Lern- und Förderplan
Die Stärken und Schwächen der Jugendlichen im schulischen Bereich werden von den Fachlehrkräften im Unterrichtsgeschehen herausgearbeitet und der Schülerin bzw. dem Schüler in Einzelgesprächen rückgemeldet. Anschließend werden Zielvereinbarungen getroffen, die die Jugendlichen in einem festgelegten Zeitraum erreichen sollen. Diese Ziele sollen für die Schülerinnen und Schüler überschaubar sein. Die Lerndefizite und die vereinbarten Ziele werden im Lern- und Förderplan dokumentiert und mit der Schülerin bzw. dem Schüler und ihren bzw. seinen Eltern besprochen. Der Lernplan wird fortgeschrieben und aktualisiert.
3.2 Individuelle Förderung zum Ausgleich dieser Lerndefizite
Ein Kernelement im Rahmen der Flexiblen Übergangsphase ist die individuelle Förderung um Lerndefizite auszugleichen. Eine Flexmaßnahme umfasst im Idealfall nicht mehr als 15 Schülerinnen und Schüler. Zur Binnendifferenzierung und für das Coaching steht neben dem Klassenraum ein Gruppenraum zur Verfügung. Ein Teil der Schulstunden ist mit zwei Lehrkräften besetzt. Dabei kommt eine Vielzahl pädagogischer Methoden zum Tragen.
3.3 Methodentraining
Grundsätzlich gliedert sich das Methodentraining in vier große Arbeitsfelder auf, die miteinander vernetzt sind. Unter diesen Feldern verstehen wir:
- Arbeitsplanung/ Organisation
- Informationsbeschaffung
- Informationsverarbeitung
- Informationsdarstellung
Beim Methodentraining werden auch alltagspraktische Dinge eingeübt, wie z.B. Telefonieren, Lesen eines Fahrplanes oder die Benutzung des Nahverkehrssystems.
3.4 Coaching
Der Coach unterstützt die Schülerinnen und Schüler bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen, bei der Suche nach einer Praktikumsstelle oder einem Ausbildungsplatz. Ebenso bietet der Coach Hilfen im sozialpädagogischem Bereich, dies reicht von Streitschlichtung bis zur Herstellung des Kontaktes zu Ämtern und Beratungsstellen. Ein wichtiger Bestandteil der Coacharbeit ist auch die Zusammenarbeit mit Eltern. Der Coach unterstützt außerdem den Unterricht durch Organisation von Betriebsbesichtigungen. Die Arbeit erfolgt immer in Absprache mit den Lehrkräften, es finden dazu regelmäßige Teamsitzungen statt.
3.5 Soziales Lernen
Soziales Lernen erfolgt in Gruppenarbeitsphasen, Kooperation der Schülerinnen und Schüler bei verschiedenen Projekten sowie durch vielfältige Aktivitäten im Klassenverband (Ausflüge, Klassenfahrten, Feste, Sportveranstaltungen etc.). Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf einer erlebnispädagogischen Ausrichtung von Klassenfahrten wie z.B. eine Segeltour mit einem Plattbodenschiff auf dem Ijsselmeer.
3.6 Berufsfelderprobung und Praktika
Im ersten Flexjahr durchlaufen die Schülerinnen und Schüler eine Berufsfelderprobung je nach Angebot des jeweiligen Trägers, z.B. aus den Bereichen Metall, Holz, Kfz, kaufmännischer Bereich, Hotel/Gaststätten, Garten- und Landschaftsbau, Elektrotechnik, Maler oder Friseur. Die Auswahl des Bereiches erfolgt unter Einbeziehung der Interessensschwerpunkte der jeweiligen Schülerin bzw. des jeweiligen Schülers. Unter Anleitung eines Meisters werden innerhalb der 4 Erprobungstage kleinere Projekte im jeweiligen Gewerk durchgeführt, z.B. Bereich Garten- und Landschaftsbau: Herstellung kleinerer Pflasterarbeiten.
Daneben finden pro Schuljahr zwei zweiwöchige Betriebspraktika statt, die verschiedene Berufsfelder abdecken müssen. Es erfolgt eine intensive Betreuung, Auswertung und Dokumentation. Nach Möglichkeit werden nur Betriebe ausgewählt, die einen vakanten Ausbildungsplatz haben und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen sind. Die Schülerinnen und Schüler erhalten von ihrer Firma zum Ende des Praktikums eine Beurteilung.
3.7 Berufs- und Lebensplanung
Für die Vorbereitung der Suche von geeigneten Praktikumsplätzen bzw. einer geeigneten Ausbildung gehören verpflichtende Besuche von Berufsinformationsmessen, z.B. BCSG-Berufsmesse, Nordjob oder Berufe live Elmshorn.
Daneben werden über den Besuch von unterschiedlichen Firmen oder Betrieben verschiedene Berufsfelder von Schülerinnen und Schüler vor Ort erkundet.
Ein weiterer Bestandteil der Berufsplanung ist eine enge Kooperation mit der Agentur für Arbeit. Über Informationsveranstaltungen oder über persönliche Sprechstunden bei der zuständigen Berufsberaterin wird frühzeitig ein enger Kontakt hergestellt.
Im Rahmen von Planspielen zum Thema Familie, Babypflege oder Finanzen erproben Schülerinnen und Schüler spielerisch mögliche zukünftige Lebensabschnitte.
Zur Lebens- und Berufsplanung wird der Berufswahlpass genutzt, in dem die Jugendlichen Praktika, Zeugnisse, den Bericht der Potentialanalyse und andere in dem Zusammenhang stehende Ereignisse reflektieren und dokumentieren. Die Arbeit mit dem Berufswahlpass soll das selbstorganisierte Lernen stärken und den Weg der Jugendlichen bei der Vorbereitung ihrer Berufswahl festhalten.
3.8 Potentialanalyse
Die Potentialanalyse soll die Stärken der Jugendlichen ermitteln. Die Potentialanalyse findet bei einem Bildungsträger in der Region statt. Ursprünglich nahmen die Schülerinnen und Schüler an einem viertägigen Assessment nach dem Herforder Modell teil. Dann wurden im Jahr Potentialanalysen nach dem betrieblich orientierten JAW Assessment durchgeführt.
In beiden Verfahren erhalten die Schülerinnen und Schüler einen Bericht über die Ergebnisse. Ebenso erfolgt ein Feedbackgespräch, an dem die Schülerinnen und Schüler mit ihren Eltern teilnehmen
4. Voraussetzung für die Aufnahme und Verbleib
Ein erster Informationsabend im 2. Halbjahr der 7. Klasse ist für interessierte Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern verpflichtend. Die Teilnahme an einer Flexmaßnahme ist freiwillig. Die Aufnahme erfolgt nach einem festgelegten Verfahren (siehe Anlage). Die grundsätzliche Bereitschaft der Schülerin bzw. des Schülers, zu lernen und zu arbeiten, ist wichtig. Wenn eine Schülerin oder ein Schüler nachhaltig gegen die Regeln verstößt oder notwendige Arbeiten nicht anfertigt, wechselt sie bzw. er in eine Regelklasse, bzw. in eine Klasse, in der sonderpädagogische Förderung angeboten werden kann. Darüber entscheidet die Klassenkonferenz.
5. Stärkung von Kompetenzen
Durch einen berufs- und praxisorientierten Unterricht soll den Schülerinnen und Schülern eine bessere Perspektive für ihren schulischen Abschluss und, wenn möglich, für eine Berufsausbildung vermittelt werden. Durch gemeinschaftliche Aktivitäten soll der soziale Zusammenhalt gefördert werden, um eine positive Arbeitsatmosphäre zu schaffen.
Im Vordergrund steht die Förderung der Ausbildungsreife. Dazu gehören die schulischen Grundlagen, ein positives Arbeitsverhalten und eine gefestigte Persönlichkeit.
Folgende Kompetenzen stehen im Fokus:
- Sachkompetenz (Kulturtechniken)
- Methodenkompetenz (strukturiertes Arbeiten)
- Soziale Kompetenz (Teamfähigkeit, Umgangsformen)
- Stärkung des Selbstwertgefühls (sich eigener Stärken bewusst werden)
Intensiver Austausch mit Schülerinnen und Schülern, Eltern, Betrieben, der Agentur für Arbeit, regionalen Bildungsträgern und anderen außerschulischen Institutionen ist dazu notwendig. Intensive Betreuung und praxisnaher Unterricht soll die Schülerinnen und Schüler motivieren und ihnen Erfolgserlebnisse ermöglichen.
6. Unterrichtsschwerpunkte
Das schulische Lernen richtet sich nach dem Lehrplan der Sekundarstufe 1 des Landes Schleswig- Holstein und den entsprechenden Bildungsstandards.
Zu Beginn des ersten Flex-Schulhalbjahres stehen folgende Aspekte im Vordergrund:
- Gruppenfindungsprozess
- die Ermittlung des Leistungsstandes
- Bestimmung der Förderschwerpunkte
Die ermittelten schulischen Defizite und Lernschwierigkeiten werden individuell bearbeitet. Eine zeitweilige Doppelbesetzung mit Lehrkräften dient der individuellen Förderung, Differenzierung oder dem Arbeiten in Gruppen. Es werden erforderliche Lerneinheiten für einen bestimmten Zeitraum angeboten (z. B. Fehlerschwerpunkte in der Rechtschreibung).
Um eine erfolgreiche Förderung der Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten, ist es notwendig Hausaufgabenstunden im Stundenplan festzulegen.
Im Unterricht kommen folgende Arbeitstechniken und Unterrichtsmethoden zur Anwendung:
- Gruppen- und Partnerarbeit
- Projektarbeit
- Arbeitsplan
- Lernzirkel
Grundsätzlich erfolgt die Orientierung für Unterrichtsplanung und -durchführung an den Bildungsstandards.
Für das Fach Mathematik bedeutet dies z.B.
- ein vorgegebenes Problem bearbeiten
- den Bereich oder die Situation, die modelliert werden soll, in mathematische Begriffe,
- Strukturen und Relationen übersetzen
- in dem jeweiligem Modell arbeiten
- Ergebnisse interpretieren und prüfen, verständlich darstellen und präsentieren
- geeignete Hilfsmittel, Strategien und Prinzipien zum Problemlösen auswählen und anwenden
- eine Darstellungsform nach Situation und Zweck auswählen
- mit Variablen, Termen und Gleichungen arbeiten, dabei mathematische Werkzeuge ( z.B. Software) einsetzen
Für das Fach Deutsch bedeutet dies z.B.:
- Strategien zum Leseverständnis kennen und anwenden
- Sach- und Gebrauchstexte verstehen und nutzen
- über Schreibfertigkeiten verfügen
- Rechtschreibung beherrschen
- einen Schreibprozess eigenverantwortlich gestalten
- Texte in Verwendungszusammenhängen reflektieren und bewusst gestalten
- Textbeschaffenheit analysieren und reflektieren
- Leistungen von Sätzen und Wortarten kennen und für Schreiben und Textuntersuchung nutzen
7. Anhang, Schematisches Flex-Aufnahmeverfahren
Quelle: Schulrat Herr Janssen, Kreis Pinneberg 2009
Stand: 12.06.2014